Depression?

Was genau sind Depressionen? Bei Wikipedia nachsehen kann sicherlich jeder. Aber das ganze selber zu erleben … Das ist leider etwas ganz anderes….

Ich musste die Erfahrung machen, das man selber einer der letzten ist, die merken, was man sich da angelacht hat. Wie die Depression sich äussert, ist von Mensch zu Mensch, von Character zu Character verschieden.

In einem Forum (leider vergessen, wo genau) hat ein betroffener die Depression als schwarzen Kraken beschrieben, der einen eisern gepackt hält und es versteht, jede Freude, jeden Enthusiasmus und jede Initiative mit Schauern von Schwermut, Apathie und Trauer zu löschen.

Ich würde eher sagen, das die Depression ein grauer Schleier ist. Ein Schleier, der das Gelb der Sonne, das Grün der Bäume, das Blau der See und auch das Schwarz der Nacht mit seinem Grau überdeckt und immer mehr vereinnahmt. Der einen immer mehr von der Welt abschirmt – ihren Gefahren, ihrer Trauer, ihrer Freude … und nichts weiter zurück lässt als Gleichmut. Eine Massive Rüstung, die hilft, noch einen weiteren Tag zu überstehen. Eine Maske, die der Welt verkündet, es wäre alles bestens, auf das bloss niemand auf die Idee kommt, nachzufragen. Einen Roboter, der jeden tag aufs neue irgendwie funktioniert – und nichts fühlen muss, nichts fühlen kann.

Ich habe nach einem belanglosen Streit den Kontakt zu meinen Eltern und auch gleich meiner ganzen Familie einschlafen lassen. Habe meine Freunde (die mir trotzdem die Treue gehalten haben – was ich ihnen sehr hoch anrechne!) ignoriert, und habe mich völlig auf meine Beziehung konzentriert.

Ich habe Panik vor dem Briefkasten gehabt – und diesen fast zwei Jahre völlig ignoriert. Ich habe zunehmend schlimmere Panik-Attacken bekommen, wenn das Telefon klingelte. Ich bin jedem aus dem Weg gegangen, aus Angst, das meine Maske aus Fröhlichkeit und Schabernack verrutschen könnte.

Ich habe nach und nach sämtliches Interesse verloren … an meiner Querflöte, an meinen Hobby´s, an Sport, an meinen Freunden, an meinem Leben. Lesen, was ich immer sehr gern getan hatte, konnte ich nicht mehr. Sobald ich eine Seite umgeblättert hatte, ist schon die Handlung der vorherigen Seite im Nebel verschwunden. Wenn ich einen Fernseher gehabt hätte, hätte ich mich in irgendwas geflüchtet. So aber blieben nur DVD´s in den seltenen Stunden zu Hause und Musik, wenn ich unterwegs war. Hauptsache, ich war nicht mit meinen Gedanken alleine. Hauptsache, ich musste dieses Gefühl der Flucht, der Panik nicht mehr ertragen. Zusammen mit Freude, Entspannung, und allem, was es sonst noch so gibt. Alles versunken um Sumpf der Gleichgültigkeit, nur durchbrochen von Spitzen aus Angst und Panik. Mein eigener Road-Movie mit einem Soundtrack von Eisbrecher, Metallica und vielen mehr.

Am Wochenende, wo man sich noch auf sich selbst hätte besinnen können, habe ich mich zu meiner Freundin und ihrem Sohn geflüchtet. Das bisschen Energie, was ich noch hatte, für jemand anderen aufbringen. Und doch war das nicht genug.

Ich hatte oft darüber nachgedacht, warum ich mir das alles antue. Die Bahngleise der AKN sind nicht weit weg. Ein letzter Moment der Angst, und am nächsten Tag steht bloss noch in der Blöd-Zeitung, das eine gescheiterte Existenz von den Gleisen gesammelt werden musste. Der Zugführer befindet sich in psychologischer Betreuung … Niemand mehr, der sich Sorgen um mich machen muss. Nur eine Hinterlassenschaft von Briefen, die nie jemand gelesen hat.
Im nachhinein haben mir diese Gedanken Angst gemacht. Und jemanden in Verzweiflung stürzen? weil ich mit meinem Leben nicht klar komme? Jemand, den ich gar nicht kenne, der seine Arbeit tut, in dem er Menschen von A nach B befördert und auf den Feierabend wartet, damit er nach Hause zu Frau und Kind kann??
Das schlimmste, was man jemandem antun kann, der solchen Gedanken nach hängt, ist wohl, sich über ihn lustig zu machen. Und genau das ist dann auch passiert. Der einzige Mensch, der noch Zugang zu mir hatte, hat das letzte bisschen „Heile Welt“ zerstört, das mir noch geblieben war. An jedem Wochenende.

4 Gedanken zu “Depression?

  1. Dir gehen Gefühle nicht nur nicht ab, sondern du kannst sie auch so erzählen, dass ich sie nicht nur nachfühlen kann (glaube ich) – sondern es auch nicht nervt (so „zu niemandem ist das Leben jemals so gemein gewesen wie zu mir, deswegen wird es mir nie wieder gutgehen und ich definiere mich ab heute über mein Leiden“-mäßig).

    • Ah, Okay – Nu hab ich das begriffen 🙂 Natürlich könnte ich mit dem „Schicksal“ hadern. Aber all das hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich jetzt bin. Die Vergangenheit kann ich nicht beeinflussen. Aber zumindest kann ich das mit der Zukunft versuchen 🙂

  2. Die Vergangenheit zu beeinflussen ist nicht möglich. Jede Erfahrung, die wir in der Vergangenheit erleben durften, egal ob positiv oder negativ, machten uns zu den Menschen der wir sind. Es ist unsere Entscheidung einen Weg hinaus zu suchen oder einfach drin stehen zu bleiben.
    Ein extrem guter Artikel
    Frohes Fest und Lieben Gruß
    Kevin Blumhagen

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